Kantonsspital Winterthur
Gesundheit bauen
Im Oktober 2021 wurden die Schlüssel übergeben: Der Abschluss des über zehn jahrelangen Planungs- und Bauprozesses für den Ersatzneubau des Kantonsspitals Winterthur. Ein hochkomplexes Projekt, das von allen Beteiligten einen langen Atem und die Bereitschaft, immer wieder neue Lösungsansätze in Betracht zu ziehen, verlangte. Für Entwurf und Generalplanung des Ersatzneubaus zeichnet die Planergemeinschaft RA|B (Rapp Architekten/Butscher Architekten) aus Basel verantwortlich, die 2010 den Architekturwettbewerb für sich entscheiden konnte. Die Architekten entwickelten einen Masterplan, der dem Gesundheitszentrum ein neues Gesicht zur Stadt gibt und sich an den sich stetig ändernden Anforderungen einer modernen Krankenhausarchitektur orientiert. Immer im Mittelpunkt: Der Mensch, Patientinnen und Patienten ebenso wie die Mitarbeitenden.
Foto © Roman Weyeneth
Projekt Didymos
Die Ursprünge des Kantonsspitals Winterthur (KSW) gehen auf das Jahr 1874 zurück. Eine Neukonzeption aus dem Jahr 1958 von Architekt Edwin Bosshardt bestimmt bis heute die Grundstruktur des Areals: ein nach Süden zur Stadt ausgerichtetes Bettenhaus und im rückwärtigen Bereich angeordnete Untersuchungs- und Behandlungstrakte in einer weitläufigen Parklandschaft. Im Jahr 1968 markiert der Bau eines Spitalhochhauses einen wesentlichen Ausbauschritt. Zunächst als Solitär gebaut, erhielt es später einen Verbindungstrakt zum Krankenhauskomplex, dem weitere An- und Erweiterungsbauten folgten. Die so über die Jahre gewachsene Krankenhauslandschaft wurde zunehmend unübersichtlich und dysfunktional. Da eine technische und bauliche Sanierung des Spitalhochhauses keine zukunftsfähige Lösung bot, wurde 2010 ein Architekturwettbewerb für die Errichtung eines Ersatzneubaus ausgeschrieben. Der Siegerentwurf der Basler Planergemeinschaft RA|B Architekten greift die Typologie des Baus von 1958 auf und sieht einen Zwillingsbau vor – daher der Wettbewerbsname „Didymos“, griechisch für „Zwilling“. Gemeinsam mit dem Bosshardt Bau bildet er ein Gesundheitszentrum, das zukünftige Entwicklungen mitberücksichtigt. Seine städtebauliche Ausrichtung zur Stadt klärt das Erscheinungsbild des Spitalkomplexes und ermöglicht die Wiederbelebung der Parkanlage.
Funktional und zukunftsfähig
Der Ersatzneubau besteht aus einem zehngeschossigen Bettenhaus, an dessen Nordseite ein Untersuchungs- und Behandlungstrakt mit sieben Geschossen andockt. Im Zentrum des Gesundheitszentrums liegend, fungiert er als Scharnier zwischen Alt und Neu. Hier ist auch der Haupteingang positioniert: Von der großzügigen, in Teilen zweigeschossigen Eingangshalle, mit zentralem Empfang und der Anmeldung, werden sowohl die Bestandsgebäude als auch der Neubau über kurze Wege erschlossen.
Über der Eingangshalle sind die multifunktionalen Untersuchungs- und Behandlungsräume angeordnet. Um möglichst einfach und flexibel an zukünftige Nutzungen angepasst werden zu können, sind sie von der Fassade abgerückt. Der so entstehende Korridor ermöglicht die für Patientinnen und Patienten sowie Personal getrennte Erschließung als auch die zusätzliche Nutzung als Arbeitsbereich. Im fünften Obergeschoss befindet sich die OP-Landschaft, darüber das Technikgeschoss. Seine Konstruktion als Brückentragwerk ermöglicht ein fast stützenfreies OP-Geschoss. „Ein zentraler Punkt unserer Planungen war es, die Neubauten hinsichtlich zukünftiger geänderter Bedürfnisse und Entwicklungen der Medizintechnik flexibel zu gestalten“, erläutert Architekt Christoph Butscher. „Daher haben wir eine Skelettkonstruktion mit tragenden Erschließungskernen entworfen, die eine konsequente Trennung von Tragestruktur und Ausbauten vorsieht.“
Foto © Roman Weyeneth
Foto © Roman Weyeneth
Foto © Roman Weyeneth
Foto © Roman Weyeneth
Das neue Gesicht zur Stadt
Das neue, markante Bettenhaus orientiert sich, wie der Bau aus den 50er Jahren, nach Süden, Richtung Park und Stadt, und passt sich mit seiner beige-braunen Travertin-Verkleidung in Ton und Stil der Fassade des Bestandsbaus an. Neben Bettenstationen und einer großzügigen Cafeteria mit differenziert gestalteten Aufenthaltsbereichen und einer teilweise überdachten Außenterrasse im Park sind hier weitere Funktionsbereiche wie die Nephrologie/Dialyse und die Gebärabteilung untergebracht.
Die Einrichtung fast aller Zimmer als Einbettzimmer scheint auf den ersten Blick luxuriös, erweist sich im Endeffekt aber als wirtschaftlicher. Nachweislich genesen Patientinnen und Patienten in Einzelzimmern schneller und die Bettenauslastung ist flexibler. Die hellen Patientenzimmer sind mit ihren großen Fenstern nach Süden und zum Park hin ausgerichtet. Ihre Ausstattung ist ebenso funktional wie wohnlich. Zum Einsatz kamen hochwertige, sorgfältig ausgewählte Materialien wie Naturholzfurnier und Farben, die sich positiv auf den Genesungsprozess auswirken.
Dazu trägt auch das angenehme Raumklima bei. Geplant wurden Klima und Lüftung von der Hochstrasser Glaus & Partner Consulting GmbH, Wattwill. In allen 270 Patientenzimmern ist der ClimaLevel Multiboden installiert, der sowohl Wärme- bzw. Kühlenergie als auch Frischluft in die Räume leitet. Der innovative Klimaboden kombiniert konventionelle Fußbodenheizung mit Luftstrom und ist ebenso reaktionsschnell wie energieeffizient. Darüber hinaus sorgt die ausgefeilte Belüftungstechnik für ein konstant optimales Raumklima, das unangenehme Begleiterscheinungen klassischer Klimaanlagen wie Luftzug oder „Kälteseen“ am Boden verhindert. Im Gesundheits- und Pflegebereich hat das System u. a. im „Centrum Integrativer Medizin“ in Koblenz, in der Seniorenresidenz der Zollinger Stiftung in Zürich und am Kantonsspital Graubünden in Chur seine Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt.
„Konventionelle Klimaanlagen wären viel zu energieintensiv gewesen“, erläutert Generalplaner Christoph Butscher. Der Ersatzneubau des Kantonsspitals Winterthur ist als eines der ersten Spitäler in der Deutschschweiz nach Minergie-P-ECO Standard errichtet. Die dafür erforderlichen Anforderungen zu erfüllen, ist gerade bei einem so energieintensiven und komplexen Gebäude wie einem Krankenhaus durchaus anspruchsvoll. „Der ClimaLevel Multiboden klimatisiert die Patientenzimmer mit relativ geringem Energieaufwand sehr effektiv. In den vergangenen sehr heißen Sommern hat er sich bestens bewährt. Und ganz wichtig: Er erfüllt die extrem hohen hygienischen Anforderungen im Gesundheitsbereich. Daher war er für uns die perfekte Lösung.“
Alles im Plan
Nach dreijährigem Betrieb des erweiterten Gesundheitszentrums sind die Rückmeldungen von Personal und Patienten durchweg positiv. Ende des Jahres werden der Rückbau des alten Spitalhochhauses und die letzten Außenarbeiten abgeschlossen. Trotz aller Herausforderungen konnte das anspruchsvolle, insgesamt 360 Millionen CHF teure Projekt termin- und kostengerecht realisiert werden.
„Wir sind sehr stolz darauf, dass sich unser Multiboden in einem so anspruchsvollen Projekt bewährt hat. Das zeigt sein Potenzial für die Klimatisierung von Gesundheitseinrichtungen und Seniorenheimen.“
Uwe Kemmer
Geschäftsführer ClimaLevel Energiesysteme