Alte Pumpstation

Innovatives Denkmal

Ein seit über 20 Jahren leerstehendes Industriedenkmal zu revitalisieren, ist eine besondere Herausforderung. Mit architektonischer Vision und innovativer Energietechnik ist es gelungen, die „Alte Pumpstation“ in Haan in ein im Wortsinn ausgezeichnetes Objekt zu verwandeln.

Foto @ Siebel Architekten BDA + Ingenieure

In den Jahren 1878/79 erbaut, sicherte die Pumpstation Haan die Wasserversorgung der westlichen Stadtteile Wuppertals. Seit den 1950er Jahren nur noch für den Notfall betrieben, wurde sie nach dem Krieg nicht wesentlich modernisiert, so dass die alten Pumpen bis heute erhalten blieben. Einem Zufall ist es zu verdanken, dass das seit der vollständigen Betriebsaufgabe im Jahr 1986 leerstehende Gebäude heute wieder in neuem Glanz erstrahlt und der Öffentlichkeit als Zeugnis der industriellen Bauweise des 19. Jahrhunderts zugänglich ist.

Von der Vision zur Realisierung

„Eigentlich war ich auf der Suche nach einer Location, um ein anstehendes Firmenjubiläum zu feiern“, berichtet Jochen Siebel, dessen Architekturbüro Ingenieurplan Siebel die Sanierung federführend betreute. Dann hieß es: „Wir feiern nicht. Wir sparen und bauen“. Schnell konnte er seine Geschäftspartner, die Ingenieurbüros ISR Stadt + Raum GmbH und Leinfelder Ingenieure GmbH, von seiner Vision überzeugen. Das Ziel: Ein Firmensitz im historischen Industriedenkmal, der unter einem Dach alle Kompetenzen rund um das Thema Bauen und Planen bündelt. Dass zur Finanzierung ein weiterer Partner benötigt wurde, sollte sich als Glücksfall erweisen, denn mit dem Planungsbüro PBS Energiesysteme GmbH konnte ein ausgewiesener Spezialist für regenerative Technologien gewonnen werden, der für die „Alte Pumpstation“ ein ebenso nachhaltiges wie effizientes Energiesystem konzipierte. Gemeinsam gründeten die vier Geschäftsführer die BMFS GmbH & Co. KG und erwarben 2010 das leerstehende Kleinod vom damaligen Besitzer, dem Mettmanner Bauverein.

„Die Bausubstanz war nach dem langen Leerstand  stark sanierungsbedürftig und wir mussten natürlich die Auflagen des Denkmalschutzes berücksichtigen“, beschreibt Jochen Siebel die Herausforderung bei der Revitalisierung der historischen Pumpstation. Glücklicherweise erwiesen sich die Behörden an pragmatischen Lösungen interessiert, so dass nach einem intensiven Abstimmungs- und Planungsprozess im Dezember 2010 mit den Sanierungsarbeiten begonnen werden konnte. Nach nur achtmonatiger Bauzeit konnten die vier Planungsbüros ihr neues Domizil im Juli 2011 beziehen.

Moderne Architektur in historischer Hülle

„Ich hatte gleich die Idee, die Büros als autarke Einheit in das bestehende Gebäude hineinzusetzen“, erläutert Jochen Siebel. In den kernsanierten und aufgestockten Nebenräumen der eigentlichen Pumpenhalle ist eine dreigeschossige Bürofläche von rund 1.000 Quadratmetern entstanden. Die roh belassenen Betonflächen des „Einbaus“ sowie die freigelegten Ziegelsteinwände verweisen auf den Industriecharakter des Gebäudes. Darüber hinaus dominieren große Glasflächen. „Ziel war, eine kommunikative, aber zugleich ruhiges, konzentriertes Arbeiten ermöglichende Architektur zu schaffen. Außerdem war mir die Sichtverbindung vom Bürobereich in den alten Pumpensaal wichtig. Unsere Mitarbeiter sollen jeden Tag erleben können, dass sie an einem besonderen Ort arbeiten“. Die ehemalige Pumpenhalle mit ihrem schönen Mosaikfliesenboden und dem umlaufenden Gang inklusive Bodenmosaik und Messinggeländer wurde erhalten. Hier steht auch noch eine der ehemals drei historischen Pumpen, während eine zweite in einem gläsernen Windfang Besucher schon von weitem an die frühere Funktion des Gebäudes erinnert. „Eine der Auflagen war es, den historischen Pumpensaal der Öffentlichkeit wieder zugänglich zu machen. Daher haben wir einen Kulturverein gegründet und bespielen den Saal regelmäßig mit Konzerten, Ausstellungen und Lesungen. Er kann auch für Veranstaltungen angemietet werden und jeden Freitag wird er zu unserer Kantine“, berichtet Siebel.

Foto @ Siebel Architekten BDA + Ingenieure

Foto @ Siebel Architekten BDA + Ingenieure

Foto @ Siebel Architekten BDA + Ingenieure

Foto @ Siebel Architekten BDA + Ingenieure

Neueste Technik hinter alter Fassade

In Sachen Haustechnik auf den neuesten Stand gebracht wurde das Industriedenkmal von den Planern von PBS Energiesysteme. Ihr Ehrgeiz: Das sanierungsbedürftige Gebäude mittels innovativer Technologie so zu modernisieren, dass es sämtliche Anforderungen an Wirtschaftlichkeit, Energieeffizienz, Umweltschutz und last but not least Raumklima erfüllt. Kernstück des Energiesystems ist ein Solar-Eisspeicher in Verbindung mit einer Wärmepumpenanlage. Dieses System kombiniert Heizen und Kühlen auf höchst ökonomische und ökologische Weise unter der Nutzung von fünf natürlichen Energiequellen: Sonne, Luft, Erdwärme, Wasser und Eis. Das Eisspeichersystem ermöglicht es, über einen Absorber-Zaun gewonnene Sonnenenergie in großvolumigen Wassermengen bei niedriger  Temperatur zu speichern. In der Heizperiode entzieht eine Wärmepumpe dem Eisspeicher Energie, so dass das Wasser im Speicher gefriert und im Sommer zur Kühlung des Gebäudes zur Verfügung steht. Die Wärmepumpe und ein Pufferspeicher sowie die eigens für dieses System von PBS entwickelte Steuerung regeln den optimalen Energieeinsatz.

In die Büroräume gelangt die Kühl- bzw. Wärmeenergie über eine innovative Multiboden-Konstruktion. Die Entwicklung der ClimaLevel Energiesysteme GmbH vereint Heizen, Kühlen und Lüften in einem System. Die Kombination von konventioneller Fußbodenheizung und Luftstrom macht diese Lösung ebenso reaktionsschnell wie energieeffizient. Darüber hinaus sorgt die ausgefeilte Belüftungstechnik für ein konstant optimales Raumklima. Seine Leistungsfähigkeit stellte das System in der „Alten Pumpstation“ eindrucksvoll unter Beweis. Bereits drei Monate nach Bezug waren die durchnässten 80 cm dicken Mauern des Gebäudes komplett ausgetrocknet. Und noch eine weitere Funktion macht den ClimaLevel Multiboden laut PBS-Geschäftsführer Ralf Mnich zum „Architektentraum“: Auch sämtliche Verkabelungen können in der Bodenkonstruktion untergebracht werden. Vier Gewerke unsichtbar in einem System. Das hat Architekt Siebel überzeugt, der sich auch in seinem Privathaus für diese Lösung entschieden hat.

Gegenüber dem rechnerischen Verbrauch vor der Sanierung ergibt sich durch die innovative Technologiekombination eine Einsparung von jährlich über 19.000 Kilowattstunden und die C02-Emission wird um über 200.000 Kilogramm pro Jahr verringert. Im Schnitt belaufen sich die monatlichen Energiekosten aktuell auf 0,62 Euro pro Quadratmeter (inklusive Anbau). „Und das ohne meterdicke Dämmung!“, freut sich Jochen Siebel. Alles in allem ein überzeugendes Energiekonzept, das 2012 mit dem „RWE-Innovationspreis Wärmepumpe“ ausgezeichnet wurde.

Das „Neue Kesselhaus“

Aber nicht nur das Energiekonzept der „Alten Pumpstation“ ist preisgekrönt. Die Entscheidung für einen gemeinsamen Firmensitz hat sich für alle Beteiligten gelohnt. „Wir haben erst im Nachhinein gesehen, dass wir mit dem Gebäude auch eine Marke geschaffen haben“, berichtet Architekt Jochen Siebel. „Die „Alte Pumpstation“ wird als Kompetenzzentrum rund um das Thema Planen und Bauen wahrgenommen.“ Das hat sich positiv auf das Firmenwachstum ausgewirkt und so wurde im Jahr 2016 eine Erweiterung fällig. Dort, wo bis 1934 das alte Kesselhaus stand, schließt nun ein klarer Baukörper mit 240 Quadratmeter Bürofläche an. Erschlossen wird das „Neue Kesselhaus“ über das bereits bestehende, an den Abbruchgiebel angebaute Treppenhaus und auch das Energiesystem bot ausreichend Reserven für die Mitversorgung. Die markante, genietete Cortenstahl-Fassade des Anbaus greift farblich die Backsteinfassade und den industriellen Charakter der „Alten Pumpstation“ auf. Dafür erhielt das „Neue Kesselhaus“ die Auszeichnung Guter Bauten 2017 des BDA Bergisch Gladbach.

Stillstand schadet dem Fortschritt

Mittlerweile arbeiten 80 Planer und Ingenieure im Alt- und Neubau und noch ist Platz für weiteres Wachstum. „Unser besonderer Firmensitz spielt auch eine wichtige Rolle bei der Mitarbeiterrekrutierung“, erläutert Jochen Siebel. „Wir können unseren Mitarbeitern eine attraktive Arbeitsatmosphäre bieten. Aber uns liegt auch die Gesundheit unserer Leute am Herzen. Deshalb haben wir 15 „Dienst“-E-Bikes angeschafft.“ Betankt werden können diese und die zwei firmeneigenen Elektroautos bald mit einer auf dem Dach installierten Photovoltaikanlage, die nach zähen Verhandlungen mit dem Denkmalschutz endlich genehmigt wurde. „Stillstand schadet dem Fortschritt“, weiß Jochen Siebel und man darf gespannt sein, welches Projekt in der „Alten Pumpstation“ als nächstes in Angriff genommen wird.