Optimales Klima für historische Museumsschätze

Kulturzentrum Goldener Engel

Die Geschichte der rheinland-pfälzischen Kleinstadt Baumholder ist eng mit der Entwicklung Deutschlands und Europas nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs verknüpft. Nach der Errichtung der US-Garnison auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz der deutschen Wehrmacht, tritt der „American Way of Life“ in den 50er- und 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts von hier aus seinen Siegeszug in der westlichen Welt an. Auch die Folgen von Ereignissen wie der Fall der Mauer sowie der Anschlag auf das World Trade Center (9/11) und die dadurch veränderte weltpolitische Lage, spiegeln sich in der Region im Kleinen. Mehr Stoff als genug für ein einzigartiges Regionalmuseum, das nach langen Planungen im Herbst 2018 eröffnete. Ebenso außergewöhnlich wie die Ausrichtung des Museums ist sein Unterbringungsort: der „Goldene Engel“. Das ehemalige Gasthaus wurde 1962 durch den Schweizer „Magnum“ Fotografen René Burri weltbekannt, der es zum Titelbild seines Buches „Die Deutschen“ machte. Dafür hatte er 1959 neben den Metropolen Deutschlands auch Baumholder besucht, zum damaligen Zeitpunkt Sichtfenster und Schnittpunkt Nachkriegsdeutschlands. Das Gebäude wurde mit großem Aufwand und Liebe zum Detail zu einem Kulturzentrum umgebaut und beherbergt neben dem Museum die Stadtbibliothek, ein Café sowie die Touristinformation der Stadt.

Foto @ Hille Tesch Architekten / Fotografin heikerost.com

Ein geschichtsträchtiger Ort
Wie die Stadt atmet auch der „Goldene Engel“ die Geschichte der Region. Anfang des 20. Jahrhunderts als Gasthaus errichtet, baute es sein damaliger Besitzer bereits vor dem Ersten Weltkrieg zu einem imposanten, das Stadtbild prägenden Gebäude aus. Seitdem diente es als Unterkunft für in Baumholder stationierte Soldaten und wurde 1945 zunächst von der US-Armee und – nach Einrichtungder französischen Zone – von den französischen Streitkräften als Hauptquartier genutzt. Nach der Errichtung der US-Garnison 195, öffnete dort das Varieté Papa-Club mit Show-Programm für die US-Soldaten – eines der zahlreichen Nachtlokale, die der Region die Bezeichnung „moralisches Notstandsgebiet“ eintrug. Vor seiner endgültigen Schließung fungierte der „Goldene Engel“ als Bar inklusive Diskothek und bot auch Gelegenheit für intimere Begegnungen zwischen US-Amerikanern und den „Bedienungen“.

Vom Gasthaus zum Kulturzentrum
Im Jahr 2000 kaufte die Stadt Baumholder das denkmalgeschützte Gebäude. Nach einigen Jahren Leerstand wurde 2009 ein europaweiter Architektenwettbewerb ausgeschrieben, der für die Immobilie neue Nutzungskonzepte als Kulturzentrum vorsah. Aus dem „Goldenen Engel“ sollte ein Ort der neuen Geschichte der Stadt Baumholder mit Museum, Bibliothek und Café werden. Vorgabe des Denkmalschutzes war der Erhalt der beiden straßenseitigen Fassaden sowie die Beibehaltung der ursprünglichen Kubatur. Der ehemalige Anbau durfte durch eine zeitgemäße und auf das alte Volumen eingehende Gebäudeerweiterung ersetzt werden. Den Wettbewerb konnte das Mainzer Architekturbüro Hille Tesch für sich entscheiden und erhielt auch den Zuschlag für die Umsetzung seines Entwurfs. Das Büro realisierte in dem „historischen Rahmen“ eine zeitgemäße Architektur, die insbesondere den Ansprüchen einer modernen Museumsgestaltung gerecht wird.

Die monolithische Form des Erweiterungsbaus nimmt sich bewusst gegenüber den Fassaden des Altbaus zurück. Im Kontrast zum kleinteiligen Fassadenbild des Altbaus erhielt der Neubau wenige, jedoch großflächige Fensteröffnungen, die spannungsreiche Ein- und Ausblicke gewähren. Die vier Stockwerke werden über ein zentral positioniertes offenes Treppenhaus erschlossen, das dem Gebäude Großzügigkeit verleiht. Die Wände aus Sichtbeton betonen das moderne Erscheinungsbild. Die zurückhaltende Farbgestaltung in Weiß und Grautönen lässt den Exponaten den Vortritt.

Innovative Klimatechnik schützt die Bestände
Die Haustechnik und vor allem die Klimatisierung spielt in einem multipel genutzten Kulturzentrum eine entscheidende Rolle. Insbesondere die Museumsexponate und die Bestände der Stadtbibliothek stellen hohe Anforderungen an die Klimatechnik. Daher entschied man sich für den Einbau eines innovativen „Klimabodens“, der diesen in allen Belangen gerecht wird. Der ClimaLevel Multiboden HKL verbindet Heizen, Kühlen und Lüften in einem System. Die Kombination von konventioneller Fußbodenheizung und Luftstrom macht diese Bodenkonstruktion nicht nur reaktionsschnell und energieeffizient, sondern garantiert vor allem ein konstant stabiles Raumklima.

Foto @ Hille Tesch Architekten / Fotografin heikerost.com

Foto @ Stadt Baumholder / Fotografin heikerost.com

Foto @ Hille Tesch Architekten / Fotografin heikerost.com

Foto @ Stadt Baumholder / Fotografin heikerost.com

Museum – Bibliothek – Begegnungsort
Im Erdgeschoss befinden sich neben der Touristinformation der Museumsshop, ein Raum für Sonderausstellungen und Begegnungen sowie die Waschräume. Im ersten Stockwerk sind die Stadtbibliothek und ein Seminarraum untergebracht. Die beiden weiteren Stockwerke nimmt das Museum für Regionalgeschichte ein. Die Ausstellung beginnt aber bereits in der Eingangshalle und setzt sich über einen Erlebnisweg über die Ausstellungsebenen durch das gesamte Haus fort. Konisch zulaufende Lufträume und Galerien unterstreichen die transparente Gestaltung des Gebäudes und ergeben unterschiedlichste Ausstellungsräume. Sämtliche Vitrinen wurden individuell angefertigt und greifen architektonische Details auf – eine gelungene Symbiose von Gebäude und Inhalt.

Bauern – Soldaten – Amerikaner
Der Schwerpunkt der Museumsausstellung liegt auf den 50er- und 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts. Die Stationierung von über 20.000 US-Soldaten in der neu errichteten Garnison hatte einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung der Region. Die Gegend um Baumholder war landwirtschaftlich geprägt, es gab viele Kleinbauern, die mehr schlecht als recht von ihren Höfen leben konnten. „Einerseits war die Stationierung der US-Soldaten ein Schock für die Bevölkerung, aber sie bot auch eine große Chance. Es gab Arbeitsplätze und neue Möglichkeiten, Geld zu verdienen“, erläutert Museumsleiterin Ingrid Schwerdtner. „Viele Menschen sind sich heute der Dimension dieser Veränderung nicht bewusst: Die US-Base entwickelte sich zu einer ‚amerikanischen‘ Kleinstadt mit Wohnungen für 40.000 Menschen und kompletter, Infrastruktur: Von Schulen über Geschäfte des täglichen Bedarfs bis zu eigener Klinik. In den Hochzeiten lebten fünfmal mehr Amerikaner als Deutsche in Baumholder, heute sind es nur noch ungefähr doppelt so viele.“

Gezeigt werden vor allem Alltagsgegenstände, die die Amerikaner nach Deutschland mitbrachten. Vom legendären Chewing Gum über Coca-Cola bis zum Petticoat. Viele Fotos dokumentieren das Lebensgefühl dieser Zeit, was durch die Tonbeispiele damals populärer amerikanischer Musik authentisch vermittelt wird. „In dieser Zeit gab es einen engeren Austausch zwischen der hiesigen Bevölkerung und den US-Amerikanern. Meine Eltern hatten amerikanische Freunde und man begegnete sich in den Clubs und Restaurants der Stadt. Die Amerikaner gehörten einfach zum Stadtbild dazu“, erinnert sich die Museumsleiterin. Das hat sich nach 9/11 geändert: Seitdem ist die US-Base abgeschottet, und die deutsch-amerikanische Freundschaft wird vorwiegend im offiziellen Rahmen gepflegt. Aber schon mit dem Fall der Berliner Mauer ergaben sich durch die veränderte Weltlage und die damit einhergehende neue Ausrichtung der US-Verteidigungspolitik einschneidende Veränderungen. Die Kampftruppen – bis dahin war Baumholder der größte Standort der US-amerikanischen Kampftruppen außerhalb der USA – wurden abgezogen. Das führte zu einer signifikanten Verkleinerung der Garnison. Heute befinden sich auf dem Gelände nur noch Versorgungseinheiten.

„Wir sind aber kein Museum über die Amerikaner, sondern über Baumholder und darüber, welchen Einfluss und welche Bedeutung die Stationierung der Amerikaner für die Stadt und die Region hatte“, erläutert Ingrid Schwerdtner. Das gilt auch für die Teile der Ausstellung, die zum einen die Geschichte der Region von der Besiedelung bis nach dem Ersten Weltkrieg darstellen, zum anderen die Errichtung des Truppenübungsplatzes durch die Wehrmacht im Jahr 1938 thematisieren, sowie dessen Funktion vor und während des Zweiten Weltkriegs. „Wir sind kein Heimatmuseum. Es geht immer darum, wie sich die Geschichte konkret auf Baumholder und Umgebung ausgewirkt hat.“